Tamay Schimang ist Rechtsanwalt und Mitgründer der streamlaw GmbH sowie des Legal Technology und Innovation Forum Frankfurt. Streamlaw berät Unternehmen und Rechtsabteilungen bei Digitalisierungsfragen und verfolgt eigene Legal Tech-Projekte. Er beschäftigt sich insbesondere mit Legal Design, anwaltlichem Projektmanagement und der Modellierung juristischer Prozesse. Ab dem SoSe 2018 bietet er gemeinsam mit Michael Grupp und Henrik von Wehrs an der Goethe-Universität die Schlüsselqualifikation „Legal Technology und Innovation“ an. Das Legal Tech Lab Frankfurt am Main hat Herrn Schimang 5 Fragen zum Thema Legal Tech und dem Jura-Studium gestellt.

 

1. Legal Tech in eigenen Worten: was bedeutet Legal Tech aus Ihrer Sicht?

Auch wenn Anwälte in der Regel für jeden Lebenssachverhalt eine Definition suchen, halte ich mich beim Begriff Legal Tech mit einer allgemeingültigen Definition zurück. Unter dem Begriff werden viele IT-Lösungen zusammengefasst, denen das Attribut „Legal“ vor allem aufgrund ihrer Verwendung im Kontext juristischer Tätigkeit zugesprochen wird, weniger aufgrund ihrer spezifisch juristischen Ausprägung.
Für mich steht „Legal Tech“ als Synonym für den Prozess der Digitalisierung in der Juristerei und umfasst damit vor allem die (Neu-)Definition von Arbeitsschritten für eine digitale juristische Arbeitsweise. Das ist leider sehr unscharf, aber komplexen Zusammenhängen kann man manchmal leider keinen einheitlichen Namen geben. Als Sammelbegriff hierfür hat sich „Legal Tech“ inzwischen aber gut etabliert.

 

2. Scheinfrei werden und dann so schnell wie möglich in die Examensvorbereitung. Lohnt sich überhaupt, zusätzlich noch Zeit für andere Themen, wie Legal Tech, aufzubringen?

Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Auch früher konnten sich fachliche Inselbegabte mit hervorragenden Noten die für die Berufsausübung erforderlichen nicht-juristischen Fähigkeiten im Berufsalltag erarbeiten. Das Problem bei der Digitalisierung des Rechtsmarkts ist jedoch, dass es einerseits unklar ist, ob und in welchem Ausmaß es z.B. im Jahr 2022 noch „Ausbildungstätigkeiten“ in Kanzleien geben wird. Andererseits bietet sich gerade für Studierende, die sich früh mit Digitalisierung beschäftigen die Chance, neue Wege zu begehen.
Meine persönliche Meinung ist: Schaut nach links und rechts und beschäftigt Euch mit juristischen Berufsbildern und dem Wandel, dem sie unterliegen. Das kann man z.B. hervorragend am Schlüsselqualifikationszentrum der Uni Frankfurt! Das entschuldigt aber keinesfalls, seine Rechtskenntnisse zu vernachlässigen!

 

3. Legal Tech? Da muss man doch programmieren können?

Nö.
Man sollte verstehen, wie juristische Arbeit funktioniert und wie sich die beratende Tätigkeit in die Geschäftsprozesse des Mandanten integrieren lässt. Verständnis von Software, ihrer Architektur und auch Programmiersprachen ist sicher nicht hinderlich. Aber viel wichtiger ist, dass man als juristischer Experte mit Software-Entwicklern, Designern und anderen Professionen eine gemeinsame Sprache für eine interdisziplinäre und gleichberechtigte Zusammenarbeit findet. Das kann für uns Juristen deutlich schwieriger sein, als Programmieren zu lernen…

 

4. Sie stehen am Anfang Ihres Jura Studiums: Würden Sie etwas anders machen als damals? Wenn ja, was wurden Sie heute anders machen als damals?

Das Legal Tech Lab gründen!

 

5. Wenn Sie sich heute ein Legal Tech Produkt wünschen könnten, welches wäre dies dann?

Ich wünsche mir weniger, dass ein bestimmtes Produkt auf den Markt kommt. Vielmehr freue ich mich darauf, dass sich das Mindset von Juristen langsam zu ändern beginnt. Wir dürfen als Innovatoren nicht nur an die Kraft der Technik glauben, sondern grundlegend über Arbeitsweisen und zu lösende Probleme nachdenken. Ein Beispiel: Häufig lösen Anwälte mit hervorragenden Rechtskenntnissen und höchst eloquent ein rechtliches Problem eines Mandanten. Ob dies jedoch der Geschäftstätigkeit des Mandaten mittel- bis langfristig nützt, ist eine andere Frage. Und genau hier müssen wir besser werden. Rechtsberatung ist nicht nur die Beratung im Einzelfall (auch wenn das so im Rechtsdienstleistungsgesetzt steht), sondern kann auch die Mitarbeit an einem nachhaltigen Strukturwechsel beinhalten.
Es wäre natürlich deutlich leichter, sich auf Legal Tech Produkte zu verlassen und im Übrigen weiterzumachen, wie bisher. Aber auch hier gilt: Auf komplexe Probleme gibt es leider zumeist keine einfachen Antworten. Insofern sollten wir uns schon etwas mehr anstrengen…

 

Herr Schimang, wir danken Ihnen für dieses Interview!